Im Juli 2016 habe ich in Dänemark geheiratet. Allein. Also nicht ganz allein. Ich habe natürlich meine Verlobte Lissy geheiratet. Sie war also auch dabei. Mit „allein“ meine ich, ohne die Verwandschaft, ohne Freunde, ohne unsere Eltern und Geschwister.
Und so beschlossen wir recht unmittelbar, nach unserem Ja-Wort auf der Insel Aero, Dänemark, dass wir in absehbarer Zeit, die Familie meiner Frau in Nowosibirsk, Russland, besuchen wollten.
Die Tickets waren schnell gebucht. Am 27.12.2016 sollte es losgehen. Für mich bis zum 04.01.2017. Lissy wollte einige Tage länger bleiben und am 10.01.2017 zurückfliegen.
Über St. Petersburg ging es also drei Tage nach Weihnachten ins kalte Russland. Das waren zumindest die Vorurteile. Russland… Winter… kalt. Und ja: im Hinterkopf hatte ich noch eine verworrene Vorstellung von sibirischen Landschaften, Hundeschlitten und Eisbären, die mich dort hungrig erwarten würden. Natürlich alles Quatsch.
Nowosibirsk präsentiert sich natürlich kälter als das mitteldeutsche Ruhrgebiet, meine Heimat. Von Oktober/November bis ins Frühjahr hinein fällt viel Schnee. Und dieser bleibt auch liegen. Denn bis Minus 30 Grad kann es dort schon abkühlen.
Doch diese extremen Temperaturen erwarteten uns dort nicht. Mit Minus 10 Grad war es für russische Verhältnisse angenehm „warm“ als wir landeten. Meine erste Idee, ich könnte ja einen Eisbären erlegen und das Fell zu einem schützenden Mantel verarbeiten, verwarf ich sofort wieder 😉 Also auch Quatsch: Marcus wird kein Kürschner.
Am Flughafen, nach dem Weiterflug von St. Petersburg, erwarteten uns früh am Morgen bereits Mutter und Bruder von Lissy. In rasanter Fahrt ging es über nicht gerade ebene Straßen nach Hause, bzw. unsere gemütliche Bleibe für die nächsten acht Tage.
Gemütlich war es wirklich. Die Familie lebt in dem selben Haus seit gut drei Jahrzehnten. Ich jedenfalls fühlte mich sehr wohl. Was auch an der überaus leckeren Küche lag. Liebe und Zuneigung geht ja bekanntlich durch den Magen: das gilt hier auch für Schwiegermutter und Schwiegersohn 🙂
Am Abend des Ankunftstages waren wir dann eingeladen zum Ballett im akademisches Opern- und Ballett-Theater Nowosibirsk. Wieder eine neue Erfahrung für mich. Das erste Mal in Russland, das erste Mal in Nowosibirsk, das erste Mal bei einer klasssischen Tanzaufführung. Wir hatten sehr gute Plätze und konnten von den oberen Rängen die Darsteller bewundern, die in grazielen Bewegungen, die ich niemals nachtanzen könnte, den Nussknacker aufführten. Allerliebst waren auch die kleinen Mädchen, die neben ihren Sitzen die Figuren live mittanzten in ihren weißen und rosa Prinzessinenkleidchen.
Danach ging es wieder zurück nach Hause und die Müdigkeit kam. Sechs Stunden Zeitunterschied zu Deutschland machten sich bemerkbar. Und dieser Jetlag sollte mich bis zur Abreise am 04.01.2017 auch begleiten. Zu keiner Zeit konnte ich mich daran gewöhnen. Ich brauchte Stunden um einschlafen zu können, wachte Nachts auf, brauchte wieder ewig um einzuschlummern und wachte viel zu früh erneut auf.
Das war wohl auch mit ein Grund, warum ich nach drei Tagen ordentlich erkältet danieder lag.
Doch mit den richtigen Medikamenten waren die weiteren Aktivitäten machbar. Wir besuchten das hiesige, neue Delfinarium, den Zirkus und die örtliche Eis-Rodelbahn. Dort durfte ich sogar den Bürgermeister der Stadt Nowosibirsk bewundern. Frenetisch bejubelte ich seine Rede anlässlich des bevorstehenden Jahreswechsels. Ich weiß noch immer nicht, was er überhaupt sagte. Egal, hörte sich wichtig an 😉
In Erinnerung wird mir auch das Mahnmal für die gefallen Soldaten des 2. Weltkrieges (auf russisch übrigens: Großer Vaterländischer Krieg) sein. Es ist dort Brauch, Münzen in das dort lodernde Feuer zu werfen, was meine Frau Lissy auch voller Patriotismus tat. Allerdings war sie höchst irritiert, als der wachhabende Soldat an besagten Mahnmal die Münzen nach einer Minute wieder herausfischte und sie einsteckte.
Durchaus freundlich fragte Lissy nach, was ihn dazu veranlasste. Ja, Fragen könnne manchmal auch Vorwürfe sein. Zumindest deutete der gefragte ihre Frage offenbar so. Anfangs noch eher ruhig und rechtfertigend, versuchte dieser ältere Soldat meiner jungen Frau sein Verhalten zu erklären. Doch mit jeder Rechtfertigung wurde er wütender, lauter und aggressiver. Vielleicht fühlte er sich doch überführt oder er hatte einfach nur wenig Verständnis dafür, von einer wesentlich jüngeren Frau, eine solche Frage gestellt zu bekommen. Wir zogen es vor, das Mahnmal und den seltsamen, aggressiven Soldaten zu verlassen.
Es scheint in Nowosibirsk, bzw. in Russland, auch durchaus die „deutsche Kultur“ verbreitet zu sein. In einem Café erklangen deutschen Weihnachtslieder. Ein Gasthaus, in das wir einkehrten, begrüßte uns mit bayrischer Küche nebst deutschem Bier.
Die letzten zwei Tage lag ich dann nur noch im Bett. Die Erkältung war doch schwerer als erhofft und ich hatte sogar Sorge, den Rückflug nicht antreten zu können. Doch es ging alles gut. Nicht gerade im besten Zustand landete ich am 04. Januar wieder in Düsseldorf. Lissy sollte mir dann am 10. Januar folgen. Natürlich war auch sie mittlerweile stark erkältet und kam in ähnlich lädierten Zustand eine Woche später an. Leider ohne Koffer. Der war in Moskau beim Umstieg liegen geblieben und wurde uns drei Tage später per Kurier nach Hause gebracht.
Was bleibt, waren viele schöne Eindrücke und Erlebnisse aus der Heimatstadt meiner Angetrauten, eine herzliche Familienzusammenführung mit ihrer Mutter und ihrem Bruder und die Erkenntnis, dass die Eisbären offenbar weiter im Norden beheimatet sind. Etwas enttäuscht war ich aber doch: einmal im Leben wollte ich wissen, wie sich Minus 30 Grad anfühlen. Na ja, vielleicht im nächsten Jahr 🙂
2 Gedanken zu „Meine Reise zu den Eisbären… und zu meiner neuen Schwiegermutter (von Marcus Hanke)“